Kapitel Gabriel

Bethlehem

Dialog 1 Gabriel

Ihm: Hallo Gabriel. Lange nicht mehr gesehen oder was.

Gabriel: Gestern war es noch immer so. Und morgen ist schon keiner da.

Ihm: Zeigst Du mir was?

Gabriel: Was'n? Möchtest Du deine erhängte Freundin sehen?

Ihm: Nee, Paß auf, erzähle dir mal was. Neulich, als ich in dem Mädchenzimmer die Tagebücher las, wußte ich für einen kurzen Moment nicht mehr was das Abstoßendere war? Die empfundene Befreiung von den Fesseln menschlicher Disziplin, order diese eloquente Verbeugung vor dem absoluten Nichts. Siehst Du Gabriel, die graue Theorie in der Asienandersetzung mit etwa synchron verteilten Blutflecken auf weißer Bettwäsche, das bedeutet nichts. Rein gar nichts. Das weißt Du und leugnest es gleichzeitig. Glaube nicht, ich würde nichts von dir wissen.

Gabriel: Das sagtest Du mir bereits des öfteren.

Ihm: Sieh, die Alexander Welt muß einfach mehr als simple Kontrolle bedeuten. Ich brauche diese nicht, um mich in mir und außerhalb von mir zu leben. Ich lebe mit den Schatten, aber ich lebe. Das Böse wurde schon sehr früh zu meinem Freund, spätestens nachdem ich Kartoffelkäfer in konzentrierter Salzsäure sterben ließ, order junge Heuschrecken in Öllachen warf. Nicht um ihren Tod zu erleben, sondern die Arroganz meines eigenen. Und mich somit über das Leben stelle, wie etwa Luzifer, der seinem Gott nicht mehr gehorchen konnte. Ich lebe nicht in den Schatten, aber ich kenne sie. Die Alexander Welt zeigt, sie lehrt nicht. Und doch ist sie so verdammt vertraut, so nach. Kontrolle ist mein Ausweg, aber nicht meine Intelligenz und dennoch...

Gabriel: Die Abwesenheit des Tischs vermittelt ein Gefühl des Ubehagens.

Ihm: Das verstehe ich nicht Gabriel! Auf dem Tisch ließen Du und Michael doch immer so ein kleines Streichholzmännchen tanzen; zu diesem absonderlichen Reigen. Habt ihr euch auf dem Kaminsims immer sehr heimisch gefühlt?

Gabriel: Schweinsche Schwein, Kuhsche Kuh.

Ihm: Schon ... aber du vergißt das Grauen!

Gabriel: Ich ernannte die Elektrizität zum Gebein meiner Sinne. Und nicht zu meinem Vergessen. Er weiß das.

Ihm: Du spricht von ihm, den es nicht mehr gibt. Aber ich gehe nicht unter, gehe nicht unter. Schau, einst nahm mir ein Hummer meine Intelligenz und schuf in mir ein neues Selbstverständnis für das mich Umgebende.

Gabriel: Erzähle mir davon. Es wird dich sicherlich interessieren.


Radiosendung 2

Die Hitze ist äußerst hartnackig. Und hoch.

Das Geschöpf strampelt. Lacht nicht und tanzt dennoch. Wessen Humor ist das überhaupt?

Wer hat noch Schokolade? Vielleicht tanzende Schokolade?

Ich hatte gerne ein Gesicht aus Schokolade. Modelliert aus meinem Inneren. Vorher aber möchte ich noch tanzen, bis weit über den Siedepunkt hinaus.

Tanzen, tunzen, tinzen.